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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 11.01.2007
Aktenzeichen: 6 K 1131/05
Rechtsgebiete: UStG, UStR
Vorschriften:
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 | |
UStG § 10 Abs. 1 | |
UStG § 10 Abs. 4 | |
UStG § 10 Abs. 5 Nr. 2 | |
UStG § 17 | |
UStR Abschn. 12 Abs. 4 Nr. 4 |
Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Umsatzsteuer 2001, 2002 und 2003
In dem Finanzrechtsstreit
...
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 6. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. Januar 2007 durch
den Vizepräsidenten des Finanzgerichts ... als Vorsitzenden, die Richterin am Finanzgericht ..., den Richter am Finanzgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ..., den ehrenamtlichen Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
I.
Die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 vom 01.10.2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.01.2005 werden teilweise augehoben. Der Beklagte wird angewiesen, die Bescheide mit der Maßgabe zu ändern, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer um die nachfolgenden Beträge gemindert wird:
2001: 10.408,60 DM
2002: 6.420,62 EUR und
2003: 5.745,25 EUR.
II.
Der Beklagte und die Klägerin haben die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe der noch festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, in welchem Umfange die verbilligte Überlassung von Schuhen und Arbeitskleidung an Arbeitnehmer der Klägerin der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen im Metall verarbeitenden Gewerbe. Ihre in der Produktion beschäftigten Arbeitnehmer tragen aus betrieblichen Gründen eine einheitliche Arbeitskleidung sowie Arbeitsschuhe, die ausschließlich im Unternehmen genutzt werden dürfen. Hierbei handelt es sich um Schutzkleidungen, die vor bei verschiedenen Arbeitsprozessen abspringenden Metallsplittern schützen und um mit Stahlkappen versehene Arbeitsschuhe. Die Kleidung mietet die Klägerin von einem Serviceunternehmen an, das die Kleidung reinigt und nach bestimmten Zeiträumen austauscht. Hierfür erteilt das Serviceunternehmen der Klägerin eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis. Diese Steuer macht die Klägerin als Vorsteuer geltend. Die Arbeitschuhe werden von der Klägerin gekauft und den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt. Die Vorsteuern aus den Einkaufsrechnungen macht die Klägerin ebenfalls geltend.
Im Zuge einer Lohnsteuerprüfung stellte der Beklagte fest, dass die Arbeitnehmer für die Überlassung der Arbeitsschuhe und der Arbeitskleidung ein Entgelt zu entrichten hatten, das von Arbeitlohn einbehalten wurde. Die Nettoentgelte betrugen im Jahre 2001: 10.408,60 DM, im Jahre 2002: 6.420,62 EUR und im Jahre 2003: 5.745,25 EUR. Da die Beteiligten nicht mehr genau feststellen konnten, wie hoch die Gesamtkosten für die Anschaffung der Schuhe sowie die Miete und Reinigung der Arbeitskleidung waren, kamen sie im Rahmen einer einvernehmlichen Schätzung überein, dass die gesamten Aufwendungen das Doppelte der von den Arbeitnehmern entrichteten Entgelte ausmachen sollten. Die von den Arbeitnehmern vereinnahmten Zahlungen verbuchte die Klägerin auf einem Erlöskonto und führte die Umsatzsteuer ab. Soweit die Arbeitkleidung "teilunentgeltlich" überlassen wurde, sah die Klägerin mit Blick auf Abschnitt 12 Abs. 4 Nr. 4 der Umsatzsteuerrichtlinien 2005 - UStR - von einer Besteuerung ab.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, die Gestellung der Arbeitskleidung stelle eine sonstige Leistung der Klägerin an ihre Arbeitnehmer dar, wobei bei der Bemessung der Umsatzsteuer die Mindestbemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m.. § 10 Abs. 4 Nr. 2 und 3 UStG zu beachten sei. Diese belaufe sich entsprechend der einvernehmlichen Schätzung auf das Doppelte der von den Arbeitnehmern eingeforderten Entgelte, so dass im Ergebnis nach Berücksichtigung der bereits versteuerten hälftigen Kosten der Restbetrag (50 v.H. der Gesamtkosten) der Besteuerung zu unterwerfen sei. Der Beklagte erließ am 01.10.2004 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Den Einspruch wies er mit Entscheidung vom 14.05.2005 zurück.
Hiergegen wendet sich die Klage. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Gestellung der Schutzkleidung ausschließlich im betrieblichen Interesse erfolgt sei, so dass kein Leistungsaustausch i.S.d.. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliege. Eine private Verwendung der Arbeitskleidung sei unmöglich, da die Kleidung im Betrieb verbleibe. Deshalb sei nicht nur die Besteuerung der teilweise unentgeltlichen Überlassung, wie vom Beklagte vorgenommen, aufzuheben, sondern auch die Besteuerung der von den Arbeitnehmern gezahlten Beiträge für die Anschaffung der Schuhe und die Reinigung sowie Miete der Arbeitskleidung, wie bisher von der Klägerin vorgenommen, rückgängig zu machen (vgl. Schreiben der Klägerin vom 07.12.2006, Bl. 41 FG-Akte).
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 vom 01.10.2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.01.2005 mit der Maßgabe zu ändern, dass die gesamten Aufwendungen für die Gestellung von Arbeitskleidung und -schuhen in Höhe von
2001: | 20.817,20 DM |
2002: | 12,841,24 EUR und |
2003: | 11.490,50 EUR |
nicht bei der Bemessung der Umsatzsteuerschuld berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Streitfall liege eine steuerbare Leistung der Klägerin gegenüber den Arbeitnehmern vor. Denn sie habe für eine konkrete Leistung ein - wenn auch verbilligtes - Entgelt gefordert und erhalten, als sie die anteiligen Kosten für die Sachleistungen vom Lohn der Arbeitnehmer einbehielt. Hierdurch unterscheide sich der konkrete Sachverhalt von denen, wie sie in Abschnitt 12 Abs. 4 UStR genannt würden. Denn in den dort genannten Fällen habe der Arbeitgeber kein gesondertes Entgelt für die Arbeitskleidung erhalten. Die verbilligte Überlassung von Arbeitskleidung und deren Reinigung sei demgemäß eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung gem. § 3 Abs. 9 i.V.m.. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Bei der Bemessung habe der Beklagte die Mindestbemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m.. Abs. 4 Nr. 2 UStG beachtet, als er die gesamten Nettokosten der Besteuerung unterwarf.
Zur Ergänzung wird auf die im Tatbestand mit Blattziffern bezeichneten Schriftstücke und Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet, soweit sich die Klägerin gegen den Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage wendet, aber unbegründet, soweit sie die Besteuerung der tatsächlich vereinbarten und erhaltenen Entgelte angreift.
I.
1. Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens durchführt, der Umsatzsteuer. Im Streitfall hat die Klägerin von den Arbeitnehmern ein - wenn auch verbilligtes - Entgelt für die Überlassung der Kleidung und Arbeitsschuhe gefordert und bekommen. Dieser tatsächlich vollzogene Leistungsaustausch stellt insoweit einen steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz dar, der in Höhe des vereinbarten Entgelts gem. § 10 Abs. 1 UStG der Steuer zu unterwerfen ist. Diese Leistungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG können nicht einfach "aufgehoben" werden, selbst wenn es sich bei der Überlassung der Kleidung und der Schuhe um nicht steuerbare Leistungen i.S.d.. Abschn. 12 Abs. 4 Nr. 4 UStR handeln sollte. Denn der tatsächlich durchgeführte entgeltliche Leistungsaustausch hindert die Annahme einer nicht steuerbaren Leistung, wenn ein Entgelt gezahlt worden ist, weil in diesen Fällen gerade keine unentgeltliche Leistung in vollem Umfange vorliegt, wie Abschn. 12 Abs. 4 Nr. 4 UStR fordert. Erst bei Rückzahlung des von den Arbeitnehmern zunächst geforderten und erhaltenen Entgelts entfiele nachträglich das Tatbestandmerkmal der Entgeltlichkeit und würde lediglich die Berichtigungsmöglichkeit des § 17 UStG eröffnen.
2. Im Streitfall haben die Arbeitnehmer der GmbH für die Überlassung und Reinigung der Arbeitskleidung einen Betrag entrichtet, der die Hälfte der tatsächlichen Ausgaben der GmbH ausmachte. Es handelt sich hierbei nicht um einen symbolischen Betrag, der den Charakter eines Entgelts für eine entsprechende Gegenleistung entfallen lässt. Auch deshalb liegt auch keine vollen Umfangs nicht steuerbare Leistung im Sinne des Abschn. 12 Abs. 4 Nr. 4 UStR vor.
II.
Die verbilligte Gestellung einschließlich Reinigung der Arbeitskleidung ist nicht - wie die Klägerin anstrebt - in eine entgeltliche und eine unentgeltliche Leistung aufteilbar.
1. Die Arbeitgeberin hat ihren Arbeitnehmern Arbeitskleidung überlassen, die ausschließlich zu beruflichen Zwecken genutzt wurde und deren private Verwendung so gut wie ausgeschlossen ist. Es handelt sich im vorliegenden Fall um typische Berufs- bzw. Arbeitskleidung oder Dienstkleidung i.S.d.. Abscn. 12 Abs. 4 Nr. 4 UStR. Ob es sich zusätzlich noch um Schutzkleidung nach dem Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG - und den hierzu ergangenen Verordnungen handelt (vgl. zur Abgrenzung: Küttner Personalhandbuch, Stand 2006, Stichwort "Arbeitskleidung", Tz. 1 und 11), kann offen bleiben, weil in beiden Fällen die ausschließlich betriebliche Zweckbestimmung im Vordergrund steht. Dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig.
2. Die Arbeitskleidung ist den Arbeitnehmern insgesamt entgeltlich überlassen worden. Hierbei ist festzustellen, dass es sich bei der Überlassung um eine einheitliche Leistung der GmbH handelt, die neben der Gebrauchsüberlassung der Kleidung auch deren Reinigung beinhaltet. Die folgt aus der Tatsache, dass die Leistung, die das Serviceunternehmen bietet und die die GmbH insgesamt ihren Arbeitnehmern zugute kommen lässt, nach der vertraglichen Ausgestaltung als einheitliche Serviceleistung konzipiert ist.
Die einheitliche Leistung kann nicht dahingehend in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufgespalten werden, dass lediglich der anteilige Leistungsumfang, für den die Arbeitnehmer Zahlungen leisteten, als steuerbare Leistung i.S.d.. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG angesehen und hinsichtlich der unentgeltlichen Überlassung eine nicht steuerbare Leistung i.S.d.. Abschn. 12 Abs. 4 Nr. 4 UStR unterstellt wird. Handelt es sich - wie vorliegend - um eine einheitliche Leistung, für die ein Entgelt entrichtet worden ist, so kann diese Leistung und das hierfür gezahlte Entgelt (Gegenleistung i.S.d.. Art 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a) der 6. EG-Richtlinie) nicht aufgeteilt werden. Eine "Teilentnahme" sieht Art. 6 Abs. 2 Buchst. b) der 6. EG-Richtlinie nicht vor. Vielmehr ist die Entnahme durch eine in vollem Umfang unentgeltliche Wertabgabe gekennzeichnet, so dass ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft im Umsatzsteuerrecht nicht denkbar ist. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn es sich um eine offensichtlich unter dem Einstandwert liegende Leistung handelt (EuGH-Urteil vom 20.01.2005 - Scandic - C-412/03, Rz. 24, UR 2005, 152 mit Anm. Wagner; vgl. auch Martin, Anm. zu dem genannten Urteil, BFH-PR 2005, 144).
III.
Als Bemessungsgrundlage ist gem. § 10 Abs. 1 UStG das von den Arbeitnehmern entrichtete Entgelt und nicht die Mindestbemessungsgrundlage zugrunde zu legen.
1. Gem. § 10 Abs. 1 UStG wird der Umsatz bei sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen, wobei Entgelt alles ist, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Danach ist nur der Betrag der Besteuerung zu unterwerfen, den die Arbeitnehmer tatsächlich an den Arbeitgeber für die Überlassung und die Reinigung der Arbeitskleidung gezahlt haben.
2. Allerdings bestimmt § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG, dass bei sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt, die sog. Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 UStG anzuwenden ist, wenn die Mindestbemessungsgrundlage das Entgelt übersteigt. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m.. Abs. 4 Nr. 2 UStG sind ihrem Wortlaut nach im Streitfall erfüllt.
a) § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG bemisst die sonstigen Leistungen (gem. § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG) nach den bei der Ausführung der (Eingangs)Umsätze entstandenen Ausgaben (früher: Kosten), soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Der Begriff "Ausgaben" ist ein gemeinschaftsrechtlicher Begriff nach Art. 11 Teil A Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie, der einer richtlinienkonformen Auslegung bedarf. Darunter sind die Kosten zu verstehen, die bei der Ausführung der Leistung entstanden sind (vgl. Abschn. 155 Abs. 2 UStR). Der Beklagte hat im Streitfall die Nettoaufwendungen als Mindestbemessungsgrundlage herangezogen, die die GmbH an das Serviceunternehmen für die Überlassung und die Reinigung der Arbeitskleidung in Rechnung gestellt hat. Dies ist grundsätzlich ein zutreffender Ansatz der Ausgaben i.S.d.. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG.
b) Auch die weiteren Voraussetzungen der §§ 10 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m.. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG sind erfüllt. Die GmbH überließ die Arbeitskleidung an das Personal aufgrund der Dienstverhältnisse und in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin. Dass die Überlassung seinen Ursprung im Dienstverhältnis hat, folgt zum einen aus der ausschließlichen beruflichen Zweckbestimmung der Arbeitskleidung und zum anderen aus der arbeitsrechtlichen Verpflichtung der Arbeitnehmer, diese Kleidung auch zu tragen. Der Beklagte hat somit - aus seiner Sicht zu Recht - neben den bereits den Arbeitnehmern in Rechnung gestellten (und versteuerten) Kosten auch die restlichen von der GmbH getragenen Ausgaben für Anmietung und Reinigung der Arbeitskleidung zusätzlich der Umsatzsteuer unterworfen und die Mindestbemessungsgrundlage der Besteuerung zugrunde gelegt.
IV.
Indes verbietet im Streitfall Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a) der 6. EG-Richtlinie die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage. Die nach Art. 27 erteilte Ermächtigung für eine Sondermaßnahme, auf der § 10 Abs. 4 i.V.m.. Abs. 5 beruht, umfasst die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage für den vorliegenden Sachverhalt nicht, weil keine "Steuerumgehung" vorliegt, die es zu vermeiden gilt.
1. Die Anwendung des § 10 Abs. 5 i.V.m.. Abs. 4 UStG scheitert allerdings nicht bereits an einer unwirksamen Ermächtigung. Die Vorschriften des § 10 Abs. 4 i.V.m.. Abs. 5 UStG weichen zwar von der in Art. 11 der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen Regelung ab. Art. 27 der 6. EG-Richtlinie sowie die hierzu ergangene Protokollerklärung vom 17.05.1977 gestatten jedoch, dass der Rat einen Mitgliedsstaat ermächtigt, abweichende Sondermaßnahmen durchzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern. Hierzu hat die Bundesrepublik am 13.08.1978 einen auf die Verhütung von Steuerumgehung und -hinterziehung gestützten Ermächtigungsantrag gestellt, der durch stillschweigenden Beschluss des Rates als bewilligt galt. Die bewilligte Sondermaßnahme bezog sich auf das "fixing of a minimum taxable amount for supplies of goods and services effected by ... traders to their employees ... under a work contract" und entspricht damit der Regelung des § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG, der auf die in Abs. 4 normierte Mindestbemessungsgrundlage - "minimum taxable amount" - verweist. Hierbei schadet es nicht, wenn weder der Antrag noch der "Stillschweigende Beschluss" veröffentlicht werden; in jedem Falle liegt eine wirksame Ratsentscheidung i.S.d.. Art. 191 Abs. 3 EGV vor (vgl. Martin, Anm. zu BFH-Beschluss vom 30.11.2000 V R 30/00, HFR 2001, 317 unter Berufung auf die Schlussanträge des Generalanwaltes Fennely zur Rs. Skripalle, C-63/96; a.A. Möhlenkamp/Maunz, UR 2006, 1).
2. Jedoch sind nach dem EuGH-Urteil vom 29.05.1997 (C-63/96 Skripalle, BStBl. II 1997, 841, Rz. 24) die Sondermaßnahmen - hier die Vorschrift des § 10 Abs. 4 und Abs. 5 UstG - eng auszulegen und dürfen von der in Art 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a) der 6 EG-Richtlinie geregelten Besteuerungsgrundlage nur insoweit abweichen, als dies für die Erreichung des Ziels - hier Steuerumgehung - unbedingt erforderlich ist. Die Gefahr einer Steuerumgehung besteht dann nicht, wenn sich aus objektiven Gesichtspunkten ergibt, dass der Steuerpflichtige korrekt gehandelt hat (C-63/96, Rz. 25; vgl. ebenfalls EuGH-Urteil vom 09.07.1992 C-131/91, K-Line, EuGHE 1992, I-4513, Rz. 24 und 25). Keine Steuerumgehung liegt demgemäß vor, wenn der Steuerpflichtige für seine Leistung ein marktübliches Entgelt verlangt hat (vgl. auch BFH-Urteil vom 08.10.1997 XI R 8/86, BStBl. II 1997, 840; Abschn. 158 Abs. 1 UStR).
a) Nach Auffassung des Senats stellt die verbilligte Überlassung von Arbeitskleidung zu einem um die Hälfte unter den tatsächlichen Ausgaben liegenden Entgelt keine Steuerumgehung dar. Die Überlassung der Arbeitskleidung und deren Reinigung erfolgten zwar nicht zu einem marktüblichen Entgelt. Hätten die Arbeitnehmer die Leistungen der Servicefirma selbst in Anspruch genommen, so hätten sie zumindest das Entgelt entrichten müssen, das die GmbH zu zahlen hatte. Jedoch kann aus diesem Umstand allein nicht bereits auf eine Steuerumgehung geschlossen werden. Denn die Regelung des § 10 Abs. 4 UStG sollte nach Auffassung des Gesetzgebers die Verbindung zum Eigenverbrauch herstellen und dessen teilweise Umgehung durch eine verbilligte Leistung vermeiden (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 10 Tz. 440, 441). Im Ergebnis soll ein unversteuerter Verbrauch beim Endverbraucher unterbunden werden. Diese Argumentation greift aber nicht bei der verbilligten Überlassung von Arbeitskleidung. Denn die völlig unentgeltliche Überlassung von typischer Arbeitskleidung ist nach Verwaltungsauffassung (Abschn. 12 Abs. 4 Nr. 4 UStR), die auf dem BFH-Urteil vom 09.07.1998 beruht (V R 105/92, BStBl. II 1998, 635; Folgeentscheidung zu EuGH-Urteil vom 16.10.1997 C-258/95 - Fillibeck - ,UR 1998, 61), als nicht steuerbare Leistung anzusehen, wenn die Befriedigung des privaten Bedarfs durch den betrieblichen Zweck überlagert wird. Auch vorliegend werden mögliche private Bedürfnisse der Arbeitnehmer durch die betrieblichen Belange verdrängt, da die Arbeitskleidung unstreitig ausschließlich Zwecken des Arbeitgebers dient. Deshalb ist die teilentgeltliche Überlassung der völlig entgeltlichen Überlassung von Arbeitskleidung sowie Reinigung gleichzustellen, weil in beiden Fällen die Nähe zum Eigenverbrauch durch die betriebliche Zwecksetzung überlagert wird. Ziel der Leistung ist in beiden Fällen die Verwirklichung betrieblicher Belange und nicht die Verschaffung eines steuerlichen Vorteils an den Arbeitnehmer, der Rechtfertigung für die Anwendung des § 10 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m.. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG ist.
b) Die Ausgangsentscheidung des EuGH (C-258/95, UR 1998, 61) bestätigt nach Auffassung des Senats dieses Ergebnis. Denn der EuGH ließ (für den Fall einer unentgeltlichen Leistung) zu, dass ausnahmsweise die Eigenverbrauchstatbestände der Richtlinie keine Anwendung finden, wenn besondere Umstände erkennen lassen, dass die vom Arbeitgeber erbrachte Leistung nicht unternehmensfremden Zwecken dient. Diese Erwägung ist auch auf den Fall einer verbilligten Leistung übertragbar. Es fehlt der teilweise unversteuerte Endverbrauch für den privaten Bedarf, der "außerhalb des Unternehmens liegt" und den § 10 Abs. 4 UStG erfassen will. Entfällt somit die Annahme eines unzulässigen unversteuerten Endverbrauchs, so fehlt es folgerichtig an der Umgehung eines Steuertatbestandes.
c) Der Senat sieht sich ebenfalls in Übereinstimmung mit der Entscheidung des EuGH vom 20.01.2005 (Scandic C-412/03, UR 2005, 152). Der EuGH entschied, dass die Entnahmetatbestände der 6 EG-Richtlinie (Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie) nur unentgeltliche Leistungen betreffen, nicht aber für teilentgeltliche, also verbilligte Leistungen anwendbar sind. Dabei bleibt unerheblich, dass die wirtschaftliche Tätigkeit zu einem Preis unter dem Selbstkostenpreis ausgeführt wird (Rz. 21 und 22). Damit hat der EuGH verdeutlicht, dass nach der Richtlinie grundsätzlich vom gezahlten Entgelt auszugehen ist. Zudem hat der EuGH darauf hingewiesen, dass zwar durch die Vereinbarung eines symbolischen Preises der Sinn der Eigenverbrauchstatbestände umgangen werden kann, dieser Umstand gleichwohl keinen Antrag auf Erlass abweichender Maßnahmen nach Art. 27 der 6. EG-Richtlinie rechtfertigt (Rz. 26). Wenn aber die Vereinbarung eines symbolischen Preises u.U. bereits Grundlage für die Bemessungsgrundlage sein soll, obwohl bei solchen Sachverhalten sich der Gedanke einer Steuerumgehung aufdrängt, so kann bei einer betrieblich veranlassten verbilligten Gestellung von Arbeitskleidung schwerlich von einer Steuerumgehung gesprochen werden, die nach Art. 27 der 6. EG-Richtlinie die Anwendung des § 10 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m.. Abs. 4 Nr. 2 UStG im Streitfall rechtfertigen könnte.
d) Letztlich darf nicht verkannt werden, dass Teile der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung einen Anspruch des Arbeitnehmers auf völlig unentgeltliche Überlassung von Arbeitskleidung aus §§ 617, 618 BGB herleiten, wenn - wie vorliegend - das Tragen der Kleidung aus Gründen des Arbeitsschutzes notwendig ist und vom Arbeitgeber verlangt wird (vgl. LAG Düsseldorf 13 Sa 1804/00, NZA-RR 2001, 409). Erreicht ein Arbeitgeber trotzdem eine teilweise Kostenerstattung von den Arbeitnehmern, so kann dies mit Blick auf diese Rechtssprechung als ein Aushandeln mit der Belegschaft gewertet werden und markiert die Grenzen der Durchsetzbarkeit seines Kostenerstattungsanspruchs. Dies ähnelt der Vereinbarung eines "marktüblichen Entgelts".
3. Die Entscheidung dient nach Auffassung des Senats auch der gebotenen einfachen Handhabung des Umsatzsteuerrechts. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff "wirtschaftliche Tätigkeit" nach Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie, der den Leistungsbegriff in § 1 UStG prägt, ein objektiv festgelegter Begriff, da die Tätigkeit an sich, unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, betrachtet wird. Aus diesem Grunde ist nicht auf die Absicht des Steuerpflichtigen abzustellen und diese nicht von der Finanzverwaltung zu überprüfen, weil dies unvereinbar mit den Zielen des gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystems ist, wonach grundsätzlich auf die objektive Natur des betreffenden Umsatzes abzustellen ist (vgl. EuGH-Urteile vom 12.01.2006 C-354/03, C-355/03 und C-484/03 - Optigen u.a.- Rz. 43 bis 45; UR 2006, 157). Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass bei einer entgeltlichen Leistung, die objektiv ausschließlich betrieblichen Zwecken dient, das gezahlte Entgelt (Wert der Gegenleistung i.S.d.. Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a) der 6 EG-Richtlinie) die Bemessungsgrundlage darstellt, selbst wenn die Leistung des Arbeitgebers verbilligt und unter dem marktüblichen Preis erfolgt. Denn mit der Feststellung der ausschließlichen betrieblichen Zweckbestimmung ist die Annahme einer privaten Verwendung für unternehmensfremde Zwecke ausgeschlossen. Eine weitere und zusätzliche Überprüfung, ob der betreffende Umsatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - auch - von der Absicht einer Steuerumgehung getragen ist, verbietet sich angesichts einer objektiv feststellbaren betrieblichen Zweckbestimmung.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Der BFH hat gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 19.01.2005 (5 K 3083/03 U, EFG 2006, 1016), das einen ähnlichen Sachverhalt betrifft, die Revision zugelassen (Az.: V R 15/06). Außerdem wenden sich Stimmen in der Literatur gegen die Anwendung der Bemessungsgrundlage bei teilentgeltlichen Leistungen (vgl. Möhlenkamp/Maunz, UR 2006, 1; B. Meyer, Anm. zum genannten Urteil des FG Münster vom 19.01.2005, EFG 2006, 1018). Andererseits neigt die herrschende Meinung in Literatur und Verwaltung der Auffassung zu, die Mindestbemessungsgrundlage sei vorliegend anzuwenden (vgl. z.B. Wagner, Anm. zu EuGH-Urteil C-412/03 - Scandic - , UR, 2005, 152; ders. in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 10 Tz. 440, 441; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl., § 10, Rz. 119 und Verwaltungsauffassung: Abschn. 12 Abs. 1 Satz 3 UStR; OFD Koblenz vom 14.07.2005, S 7100/S 7200 -A- St 443/St 444).
Verkündet am: 11.01.2007
Ende der Entscheidung
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